Mit 25 Genoss:innen von ZORA sind wir Anfang September nach Tunesien geflogen, um dort an
der Dritten Weltfrauenkonferenz teilzunehmen. Wir haben sehr viel erlebt, viele Gespräche und
Diskussionen geführt, haben neue Menschen kennengelernt. Es war eine sehr intensive Zeit, die wir
alle sicherlich lange nicht vergessen werden. Doch damit nicht nur wir davon etwas haben,
möchten wir hier Erfahrungen, Erlebtes und Gedanken mit euch teilen.
Vorbereitungen für die Reise
Die Delegationsreise begann natürlich schon vor der Reise selbst – eine gute Vorbereitung gehört
ebenso dazu. In der Zeit vor der Konferenz haben wir einige Sachen geplant, zum Beispiel die
Übersetzung von Materialien, damit wir anderen Frauen ZORA vorstellen können oder wer wann in
Tunesien ankommt. Aber nicht nur das: Inhaltlich wurde diskutiert, vor allem die Delegierte von
ZORA, war viel damit beschäftigt, sich inhaltlich auf die Konferenz vorzubereiten.
Anfang September ging es dann los, wir sind nach Tunesien geflogen. Dort angekommen haben wir
uns erst einmal sehr gefreut, uns alle zu sehen. Viele kannten sich schon, einige kannten sich noch
nicht. Alle waren sehr nervös, weil niemand so richtig wusste, was auf uns zukommt.
Die Konferenz beginnt
Die Konferenztage haben am 3. September mit der Anmeldung begonnen. Wir sind also gemeinsam
zum Konferenzort, einer Schule direkt an einem Kulturzentrum, und haben uns registriert und die
ersten Frauen begrüßt und kennengelernt. Danach hatten wir noch Freizeit, da haben wir die Stadt
etwas erkundet und gemeinsam gegessen.
Am Sonntag, den 4. September, starteten wir mit einer großen und kämpferischen Demonstration
durch Tunis. Wir als ZORA haben es geschafft, einen starken Ausdruck auf der Demo zu
hinterlassen, viele Passant:innen haben sich uns angeschlossen und mit einigen sind wir auch ins
Gespräch gekommen. Im Anschluss an die Demo fand eine große Eröffnungszeremonie statt – alle
kamen zusammen und wir haben ein paar Grußworte gehört, es gab aber auch Musikbeiträge.
Am Tag darauf ging es dann mit der eigentlichen Konferenz los: Den Anfang haben die Workshops
gemacht, die Montag und Dienstag stattgefunden haben. Wir konnten aus über 30 Workshops
auswählen, die jeweils vormittags und nachmittags stattgefunden haben. Auch ZORA hat sich daran
beteiligt. Gemeinsam mit Pride Rebellion, einer LBGTI+ Organisation, haben wir einen Workshop
zu Frauen- und LGBTI+-Befreiung gehalten und wie beide Kämpfe miteinander verbunden sind.
Aber auch die anderen Workshops haben wir besucht: Es gab einen Workshop zu jungen Frauen und
einen über die Anglofon-Krise in Kamerun, in dem die Frauen von der Unterdrückung erzählt haben
und wir über Widerstandskämpfe in Kamerun geredet haben. Es gab Workshops zu
antiimperialistischen Frauenkämpfen auf der ganzen Welt und viele weitere. SKB, der Bund
Sozialistischer Frauen, hat einen Workshop zur Frauenrevolution gehalten, bei dem viele von
unseren Genoss:innen auch teilgenommen haben.
An den zwei darauffolgenden Tagen hat dann die Generalversammlung stattgefunden, bei der die
Delegierten geredet haben und in den Austausch gekommen sind. Aus allen Ländern haben Frauen
gesprochen. Insgesamt waren übrigens über 450 Frauen auf der Konferenz, davon fast 100
Delegierte. Frauen aus über 40 Ländern waren dort.
In den Diskussionen wurden die Situation und die Arbeiten in den jeweiligen Ländern vorgestellt.
So haben zum Beispiel Frauen aus Afghanistan über die Regierung der Taliban gesprochen, Frauen
aus Polen über die Abtreibungssituation und Frauen aus Palästina über die Besatzung und
Unterdrückung durch den israelischen Staat.
Am Freitag gab es dann noch Berichte über die Workshops. Dort haben alle Leiterinnen der
Workshops vorgestellt, was dort besprochen oder diskutiert wurde, zu welchem Ergebnis sie
gekommen sind und was die daraus für die restliche Konferenz mitgenommen haben.
An jedem Abend gab es Kulturabende mit Musik, Tänzen und einigen kurzen Theaterstücken, die
aufgeführt wurden. Jeden Abend war ein anderer Kontinent dran.
Die Konferenz hat am Freitag, dem letzten Tag, mit einem musikalischen Programm und
gemeinsamen Parolen und Abschlussworten geendet.
Die Rolle der Delegierten
Die Delegierten der Weltfrauenkonferenz hatten die Aufgabe, die Frauenbewegung in den
jeweiligen Ländern zu vertreten und diese in die Weltfrauenkonferenz zu tragen. Deutschlandweit
wurde sich abgesprochen und gemeinsam vorbereitet. Es fanden vor und auch auf der Konferenz
Diskussionen statt zu gemeinsamen Schritten für die internationale Frauenbewegung, aber auch ein
Austausch der Erfahrungen. Dieser Austausch an sich war für die Delegierten von uns sehr
bewegend, weil viele Frauen von sehr einschneidenden Erlebnissen berichtet haben.
Aber auch inhaltlich wurde auf der Konferenz diskutiert: So ging es beispielsweise um die Frage,
ob ein Frauenstreik, der international organisiert wird, der richtige Weg ist für die weltweite
Frauenbewegung.
Was genau haben die anderen auf der Konferenz gemacht?
Wie gesagt, ZORA Deutschland hat eine Delegierte gestellt für diese Konferenz. Doch das heißt
nicht, dass die anderen nichts gemacht haben: Zwei von ZORA waren außerdem Delegierte für die
Schweiz und Frankreich. Die anderen haben Aufgaben wie die Vorbereitung und Planung der
Generalversammlung übernommen, viele von uns haben übersetzt. Wir haben das Medienteam der
Konferenz unterstützt und hatten von ZORA auch ein eigenes Medienteam, um die Delegationsreise
auf Social Media begleiten zu können. In diesem Team haben wir auch Interviews geführt mit ganz
vielen Frauen, die in der nächsten Zeit ebenfalls veröffentlicht werden.
Wir hatten einen Stand, der von uns betreut wurde und durch den wir mit anderen Frauen ins
Gespräch gekommen sind.
Politische Realität in Tunesien
Die Orte der Weltfrauenkonferenz werden immer bewusst ausgewählt, damit die Konferenzen zum
Beispiel nicht immer im gleichen Land ausgetragen werden und möglichst auch nicht in
imperialistischen Zentren stattfinden. Die Anreise für Frauen aus zum Beispiel afrikanischen oder
asiatischen Ländern ist ohnehin schon schwer genug, das soll aufgebrochen werden.
Zugegebenermaßen haben wir uns vor der Reise nicht sehr viel über Tunesien als Land oder Tunis
als Stadt informiert. Klar, uns war bewusst, dass es kein sehr reiches Land ist, aber die Realität dort
zu sehen, ist ein anderes Gefühl.
Die Schere zwischen Arm und Reich, der Klassenwiderspruch ist dort sehr deutlich zu sehen: Auf
der einen Seite Menschen, die Plastikflaschen sammeln und diese verkaufen, um Essen kaufen zu
können und auf der anderen Seite die riesigen Paläste der Regierung.
Auch die Präsenz des Militärs auf der Straße hat uns im ersten Moment irritiert. Die willkürliche
Polizeigewalt, die es dort Tag für Tag gibt, wurde auch auf der Konferenz zum Thema gemacht.
Ein weiterer Punkt ist das Thema Flucht: Tunesien ist eines der Länder, aus dem jedes Jahr
unzählige Menschen über das Mittelmeer nach Europa wollen, sei es aus Tunesien selbst oder aus
anderen Ländern der Region. Die traurige Realität ist aber auch, dass Europa diese Menschen nicht
aufnehmen will, die grausamen Bilder der sogenannten Push-Backs kennen wir sicherlich alle.
Berichte von Menschen zu hören, die jeden Tag sehen, wie Leichen an Land gespült werden, hat
uns sehr berührt. Nicht nur der Klassenwiderspruch wird in Tunesien deutlich, sondern auch das
Resultat der Abschottungspolitik Europas.
Wie geht es weiter?
Die Zeit in Tunesien war für uns alle sehr intensiv, wir haben viel gelernt und und haben uns
weiterentwickelt. Auch wenn wir über die Auswertung schon gesprochen haben, wird es einige Zeit
dauern, bis wir die Zeit richtig verarbeitet haben.
Was wichtig ist, ist die Perspektiven aus der Konferenz in die Städte zu tragen: Welche Rolle nimmt
ZORA in der Frauenbewegung ein? Wie halten wir den Kontakt zu den Frauen, die wir
kennengelernt haben?
2025 findet ein theoretisches Seminar statt, bei dem theoretisch diskutiert und gearbeitet wird. Auch
da ist die Frage: Nehmen wir als ZORA daran teil, wenn ja, in welcher Form? Was machen wir mit
den Erfahrungen, wie bringen wir die in die politische Arbeit ein?
In allen Städten von ZORA gibt es in der nächsten Zeit Vorträge und Berichte, wo es nochmal die Möglichkeit gibt, Fragen zu stellen und zu diskutieren. Dazu seid ihr herzlich eingeladen!
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