Übergriffe auf der Straße, im Privaten oder Lehreinrichtungen sind keine Neuerscheinung. Selbst an jenen vermeintlich sicheren Orten wie der Schule, lassen uns die Auswirkungen des Patriarchats nicht in Frieden. Sei es durch die Kommentare von Mitschüler:innen und Lehrer:innen oder deren übergriffigem Verhalten – das Patriarchat zieht sich durch unsere gesamte Lebensrealität. Wie ein solcher Vorfall und die Reaktion der betroffenen Schule aussehen kann, haben wir in einem Interview mit Schüler:innen aus Dessau festgehalten:
Kannst du uns erzählen, was genau bei euch an der Schule vorgefallen ist?
Als erstes waren es nur dumme Sprüche seitens der Lehrer. Irgendwann im Laufe des letzten Schuljahres gab es einen übergriffigen Vorfall von einem Lehrer, der einer Schülerin extrem auffällig in den Ausschnitt geguckt hat. Sie hat den Lehrer darauf angesprochen, aber es kam nur ein „Wenn du dich so anziehst, dann muss ich da hingucken“. Daraufhin ging die Schülerin zur Direktorin, aber anstelle von Konsequenzen für den Lehrer gab es eine inoffizielle Kleiderordnung für die gesamte Stufe. Anfang diesen Jahres wurde sie nun offiziell angekündigt. Nach dieser dürfen z.B. Schüler:innen keine langen Nägel mehr tragen. Bei einigen wurde bei Nichteinhalten mit Unterrichtsausschluss oder der Note 6 gedroht (sogar auf Leistungskurs-Niveau).
Wie war die Reaktion der Schüler:innen?
Viele in meinem Umfeld waren empört. Es habe die Lehrer:innen nicht zu interessieren wie ich mich kleide. Andere interessierte es nicht oder verstanden es teilweise. Es folgten Briefe und Beschwerden, teilweise auch von Eltern. Diese wurden aber eher belächelt.
Wie bewertest du diese Maßnahme der Schule?
Ich finde diese Maßnahme unnötig. Es ist das Recht einer jeden Person, sich so zu kleiden, wie diese es für richtig hält. Auch kommt die Frage auf, warum sollten denn nur weibliche Personen von dieser Schulordnung betroffen sein? Man könnte genauso gut sagen, Jungs dürfen ihre T-Shirts nicht ausziehen. Die Begründung der Lehrer ist unterschiedlich ausgefallen. Einige haben diese Maßnahmen nicht verstanden, andere meinten, solche Kleidung würde Jungen und männliche Sportlehrer ablenken. In diesem Punkt habe ich kein Verständnis. Männliche Anwesende müssen sich kontrollieren können, egal was eine andere Person anhat. In kleinen Teilen verstehe ich einige Maßnahmen, lange Nägel sowie bauchfreie Kleidung können in einigen Sportarten (z.B. Geräteturnen, Ballsportarten wie Volleyball) eine gewisse Selbstverletzungsgefahr darstellen. Das wäre eine Erweiterung in Punkto Schmuck und Piercings. Dennoch sollte man nach Sportart abmessen und nicht willkürlich vorgehen.
Wie sehen eure Pläne zu diesem Thema aus? Welche Reaktionen sind in Planung?
Wir möchten aufklären, warum wir den Beschluss willkürlich und unnötig finden und mit Flyern und Bannern auf die Situation aufmerksam machen. Eine Unterschriftensammlung ist in Planung bzw. schon online. Außerdem werden wir Briefe an alle Lehrer:innen schreiben.
Die Reaktion der hier geschilderten Schule stellt keinen Einzelfall dar. Unzählige Schulen weigern sich zum Schutz der Kinder und Jugendlichen entsprechende schützende Maßnahmen ins Leben zu rufen und schieben die Schuld stattdessen auf die betroffenen Personen. Daher ist es von größter Bedeutung, dass sich nicht nur die Schüler:innen von Dessau zusammengeschlossen haben und sich gegen eine solche Reaktion wehren, sondern auch deutschlandweit eine Selbstorganistion der Schüler:innen entsteht. Denn wenn Schulen uns nicht schützen, nehmen wir den Kampf gegen das Patriarchat selbst in die Hand!
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