Jedes Jahr zur Weihnachtszeit werden wir umgeben von romantischen Filmen, die uns mit ihrem Happy End und vor allem endlich einem Partner am Weihnachtstisch mit der Familie ein gutes Gefühl geben sollen – aber auch zeigen, wie sehr Geschlechterrollen in der Filmindustrie verankert sind. Am Beispiel des Klassikers „Liebe braucht keine Ferien“ soll gezeigt werden, wie Frauen in Filmen dargestellt werden und warum das gerade zur Weihnachtszeit problematisch ist.
Zwei Frauen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, befinden sich in einer erstaunlich ähnlichen Situation. Amanda, eine Unternehmerin aus Los Angeles, findet heraus, dass ihr Ehemann sie betrügt und verlässt ihn daraufhin in einem Streit. Ein paar tausend Kilometer entfernt, lebt Iris in einem Vorort von London, seit drei Jahren unglücklich verliebt in ihren Arbeitskollegen, der soeben seine Verlobung mit seiner Freundin verkündet hat, aber den Kontakt zu Iris weiter hält und ihr Hoffnungen auf etwas macht, das vermutlich niemals eintreten wird. Das alles passiert kurz vor Weihnachten und so entschließen sich die beiden dazu, in den Urlaub zu fahren. Über ein Portal, worüber man Wohnungen tauschen kann, lernen sich Iris und Amanda kennen, am nächsten Tag sitzen beide im Flugzeug – mit der Überzeugung, genug von Männern zu haben.
Doch es kommt, wie es kommen muss: Kurz nach der Ankunft im Londoner Vorort, klopft es an der Tür, Amanda öffnet und Graham, der Bruder von Iris steht vor der Tür – bereits jetzt ist vorherzusehen, dass die beiden sich ineinander verlieben werden.
Währenddessen bekommt Iris in Los Angeles Besuch von Freunden von Amanda, sie lernt einen ihrer besten Freunde und Arbeitskollegen Miles kennen. Dieser befindet sich in einer ähnlichen Situation wie sie selbst. Verliebt in eine Schauspielerin, die ihm die große Liebe vorgaukelt, ihn aber betrügt und sich immer wieder entschuldigt, ihm dabei immer wieder Hoffnung macht.
Doch die beiden verbringen mehr und mehr Zeit miteinander und verlieben sich ineinander.
Die letzte Szene ist dann New Year’s Eve, an dem Amanda, Iris, Graham und Miles gemeinsam mit den Kindern von Graham sitzen und feiern. Der Film endet ohne Aufklärung über den Verlauf der Beziehungen trotz der weiten Entfernung, aber am Ende sind alle glücklich und feiern den Start eines neuen Jahres zusammen.
Nicht nur klingt das wie ungefähr jede romantische Komödie, die jemals gedreht wurde, mit der Ausnahme, dass die Handlung an Weihachten stattfindet. Es werden auch so ziemlich alle Klischees über Frauen und die Beziehungen zwischen Männern und Frauen bedient.
Beginnen wir ganz am Anfang: In einer der ersten Szenen sieht man den Streit zwischen Amanda und ihrem Ehemann, in dem sie herausfindet, dass er sie seit einer Weile mit seiner jüngeren Sekretärin betrügt – das Klischee überhaupt! Die gleichaltrige Ehefrau wird „ersetzt“ durch eine jüngere Frau, wie auch in diesem Fall gibt es noch eine Hierarchie-Stufe zwischen den beiden und er ist ihr Vorgesetzter.
Auch die Situation von Iris mit ihrem Arbeitskollegen strotzt nur so vor Stereotypen. Sie als die Frau, die unsterblich in einen Mann verliebt ist und ihm hinterher rennt, er als der Mann, der sich zwei Frauen warmhält und auf keine verzichten möchte. Er macht Andeutungen, dass es ihm nur um eine rein körperliche Beziehung geht, sie sieht in ihm ihre große Liebe.
Etwas weiter im Film lernen wir Graham, den Bruder von Iris kennen, der im Vorort von London auf Amanda trifft. Nachdem sich Graham und Amanda ein paar Mal gesehen haben, sich immer wieder gestritten haben und in einer Beziehung keinen Sinn gesehen haben, steht sie vor seiner Tür. Vorsichtig macht Graham die Tür auf und deutet an, nicht alleine zu sein. Nach einiger Zeit kommt ein kleines Mädchen durch die Tür und Amanda sieht, dass Graham keine Affäre hat sondern zwei Töchter, die er allein erzieht. Und hier geht es weiter mit Vorurteilen: In welchem Film wurde eine alleinerziehende Frau einmal so dargestellt, als ob sie alles hinbekommt? Und in welchem Film wurde eine alleinerziehende Frau als verwitwet dargestellt? Warum werden immer Männer als verwitwet dargestellt, aber nie als geschieden oder getrennt?
Man bekommt über den Abend hinweg, den Amanda bei Graham und den Töchtern verbringt, viele Einblicke in das Leben des alleinerziehenden Vaters und entgegen alldem, was man über alleinerziehende Mütter hört, fehlt hier von schlechter Erziehung oder Vernachlässigung jede Spur. Es ist vollkommen normal, dass Graham neben der Erziehung arbeiten geht und dadurch manchmal wenig Zeit für die Kinder bleibt. Wäre seine Rolle als Frau konzipiert, sähe das mit Sicherheit anders aus.
Iris und Miles verbringen mehr und mehr Zeit zusammen und die Zuschauer:innen ahnen schon, dass sie sich ineinander verlieben. Plötzlich bekommt Iris Überraschungsbesuch und der Arbeitskollege, über den sie scheinbar nie hinwegkommen würde, steht vor der Tür. Er versucht sich bei ihr zu entschuldigen, macht ihr Hoffnungen, doch dann fragt Iris nach seiner Verlobung. Nachdem er diese bestätigt, steht sie auf und erklärt ihm in einem strengen Ton, dass sie über ihn hinweg ist und sich nicht mehr von ihm hin und her schubsen lässt, geschweige denn weiterhin einem Mann hinterher weinen möchte, der an seiner Verlobung festhält.
Klar, schön ist es, dass sie sich von ihm „trennt“, aber doch nur mit dem Wissen, dass sie sich in jemand anderen verliebt hat und deswegen über ihn hinweg ist. Bei jungen Zuschauer:innen kommt an, dass Frauen immer in einer Beziehung sein sollten und nicht alleine über Liebeskummer hinweg kommen können.
Natürlich hat der Film ein Happy End, denn zu Weihnachten braucht man einen Partner, so wird es gerade jungen Frauen überall vermittelt. Nicht nur im Film, sondern auch in der eigenen Familie, am Arbeitsplatz, in der Schule oder Uni, in den sozialen Medien. Denn dieser Film spielt nicht zusätzlich zur realen Welt, er ist nicht abseits davon zu betrachten. Jeder Film spiegelt ein Abbild der Realität wieder und verstärkt auch die Rollenbilder, damit sich möglichst viele Menschen in die Rollen der Schauspieler hineinversetzen können, nicht selten wird dabei übertrieben. Aber es geht noch darüber hinaus: Es geht nicht nur darum, dass Zuschauer:innen sich im Film wiederfinden sollen, sondern vor allem um die Reproduktion der Stereotype. Vereinfacht gesagt, stützen Rollenbilder in Filmen und Serien die gesellschaftliche Ordnung und das Patriarchat, das für die Unterdrückung der Frau verantwortlich ist. Dabei geht es nicht nur darum, dass Frauen überhaupt einen Partner haben sollten, es sollte auch noch ein Mann sein. Uns wird klar gemacht, dass wir einen Mann an unserer Seite haben sollten, mit dem wir dann am besten auch eine Familie gründen. Und zwar, damit wir uns dem Konzept der bürgerlichen Kleinfamilie beugen und zusätzlich zur Ausbeutung auf der Arbeit auch noch als Frau ausgebeutet werden, also uns (unbezahlt) um den Haushalt kümmern, Kinder erziehen, kochen, und so weiter. Das wird uns von klein auf im Kindergarten, der Schule und der Uni beigebracht, aber auch durch Medien, dazu gehören auch Filme und Serien. Denn je mehr Filme (junge) Frauen schauen, in denen die Hauptrollen so gespielt werden, wie es im Leben einer Frau erwartet wird, desto mehr passen sich Frauen dem an, oft auch unterbewusst.
Der einzige Weg, mit diesen Rollenbildern zu brechen, ist es, sich aktiv damit auseinanderzusetzen und zu verstehen, warum wir als junge Frauen in diese Rollen gedrängt werden: Damit das Patriarchat bestehen kann. Vor allem aber müssen wir dagegen aktiv werden, denn diese Stereotype sind eine Einschränkung, keine Befreiung. An Weihnachten in einer Beziehung zu sein oder nicht, das ist nicht abhängig von dem, was Eltern, Onkel oder Großeltern denken. Der Wert einer Frau hängt auch nicht daran, ob sie einen Partner hat oder nicht. Es gibt so viele Rollenbilder, lasst uns mit jedem davon einzeln brechen! Werden wir gemeinsam aktiv gegen jegliche Unterdrückung, auf der Straße oder im Fernsehen!
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