Warum du dich dem Frauenstreik anschliessen solltest!

Die Nutzung des Streiks ist seit Jahrzehnten eine geläufige Form des Protests. Wenn wir einen Blick in die Geschichte werfen, sehen wir, wie bereits im 19. Jahrhundert für die Einführung des Acht-Stunden-Tages gestreikt wurde. Oder wenn wir in unsere heutige Welt blicken, beobachten wir, wie die Arbeiter:innen in England derzeit für höhere Löhne und gegen die steigenden Lebensunterhaltungskosten wie Gas, Miete und Strom streiken. Auch Frankreich erlebt seit einigen Wochen dessen größte Streikwelle seit 2010, in welcher die Arbeiter:innen gegen die angekündigte Rentenreform protestieren. Über 2,5 Millionen Menschen füllten die Straßen – eine Zahl, die sogar die Gelbwestenproteste weit übersteigt. Auch hunderttausende Jugendliche haben sich unter der Bewegung „Fridays for Future“ bereits vor Jahren dieser Aktionsform angenommen, um gegen die Klimakrise in Aktion zu treten. Es liegt somit auf der Hand, dass der Streik keine Neuerscheinung ist, sondern die Menschheit seit Jahrhunderten begleitet.

 

Wenn es jedoch darum geht, bewusst als Frau in den Streik zu gehen, sind sich viele über die Hintergründe im Unklaren. Was also ist der Frauenstreik? Welche Forderungen stehen hinter ihm und warum solltest du dich dem Frauenstreik am 8. März, dem internationalen Frauenkampftag, anschließen?

Zunächst einmal müssen wir uns den generellen Effekt des Streiks als Aktionsform vor Augen führen. Hierbei liefert uns die marxistische Analyse Antworten. Im Kapitalismus erleben wir eine Spaltung der Gesellschaft in zwei Teile. Auf der einen Seite finden wir die wenigen Menschen, welche den Besitz an den Produktionsmitteln innehaben – die Bourgeoisie, auf der anderen Seite diejenigen, welche keinen Anteil an den Produktionsmitteln besitzen – die Arbeiter:innenklasse. Unter Produktionsmitteln werden hierbei jegliche Instrumente verstanden, welche für den Produktionsprozess benötigt werden. Darunter fallen somit beispielsweise Fabriken, Maschinen oder aber auch Rohstoffe. Da die Arbeiter:innenklasse jedoch keinen Zugang zu diesen Mitteln hat, sehen sie sich gezwungen ihre Arbeitskraft zu verkaufen, um ihr Überleben zu sichern. 

Verdeutlichen wir diese Aussage einmal genauer: 

Ein Kapitalist besitzt eine Schuhfabrik, in welcher eine Arbeiterin ein Paar Schuhe in zwei Stunden herstellt. All die benötigten Produktionsmittel für die Herstellung des Paar Schuhes betragen 50€ – hierunter fallen die benötigten Rohstoffe, der Strom der Fabrik, welcher auf das einzelne Paar Schuhe heruntergebrochen wird, etc.. Die Schuhe werden im Anschluss für 200€ verkauft, die Arbeiterin enthält jedoch nur einen Stundenlohn von 12€. Eine einfache Rechnung zeigt uns somit, dass der Kapitalist einen Gewinn von 126€ mit diesem Paar Schuhe gemacht hat, obwohl er nicht einmal an dem Produktionsprozess beteiligt war. Die Arbeiterin erhält offensichtlich nicht den Lohn, welcher ihrer geleisteten Arbeit entspricht.  

Dieses Beispiel verdeutlicht uns vereinfacht einige Grundpfeiler des Kapitalismus. Zum einen sehen wir, dass die Kapitalistenklasse von der Arbeitskraft der Arbeiter:innenklasse lebt, indem sie sie Ausbeuten. All ihr Geld reißen sie aus den schuftenden Händen der Arbeiter:innen. Ihr hauptsächliches Interesse liegt in der kontinuierlichen Profitmaximierung, welche sie mit allen denkbaren Mitteln versuchen zu erreichen. Wir sehen hier beispielsweise die Auslagerung der Produktion ins Ausland, um noch billigere Löhne auszahlen zu können oder aber auch die fehlende Anpassung der Löhne in Zeiten von Krisen und Inflation wie derzeit. Sei es Armut, Krankheit oder Tod – alles wird in Kauf genommen für das Kapital.

Marx sagte bereits vor über 150 Jahren in seinen Ökonomisch-Philosophischen Manuskripten:

„Wenn das Produkt der Arbeit nicht dem Arbeiter gehört, … so ist dies nur dadurch möglich, dass es einem anderen Menschen außer dem Arbeiter gehört. Wenn seine Tätigkeit ihm Qual ist, so muss sie einem anderen Genuss … Lebensfreude … sein.“

Dieses Beispiel führt uns jedoch nicht nur das Elend des Kapitalismus vor Augen, sondern zeigt uns bei einem genaueren Blick auch, wie wir auf dieses Elend zu antworten haben – denn was ist ein Kapitalist ohne Arbeiter:innen, die er ausbeuten kann. Ein System, welches durch die Arbeitskraft der Arbeiter:innenklasse aufrechterhalten wird, kann genauso durch deren Fehlen zerstört werden. Durch den Streik legen wir also den Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit offen und können unsere Forderungen nach Verbesserungen an die Kapitalist:innen tragen. Sie werden sozusagen in Zugzwang gebracht. Zwar kann erst eine Revolution ein Ende dieser Ausbeutung bringen, doch das heißt nicht, dass wir nicht bereits zuvor für die Verbesserung unserer Lebensumstände kämpfen können.

Wenn wir nun den Bezug zwischen dem generellen Streik und dem Frauenstreik herstellen wollen, liegt auf der Hand, dass arbeitende Frauen dieser zuvor beschriebenen kapitalistischen Ausbeutung ebenso unterliegen. Sie sehen sich gleichermaßen gezwungen ihre Arbeitskraft zu verkaufen, um für ihren Lebensunterhalt aufzukommen und das meist zu einem geringeren Lohn als ihre männlichen Arbeitskollegen. Wir können beobachten wie Frauen historisch in bestimmte Arbeitssektoren gedrängt wurden, wie der Arbeit als Pflegekraft, Erzieherinnen oder als Reinigungskräfte. Sich am 8. März dem Frauenstreik anzuschließen, bedeutet diese sexistische Arbeitsteilung der Sektoren aufzudecken und zu zeigen wie stark unsere derzeitige Gesellschaft auf den Rücken der werktätigen Frauen aufrechterhalten wird. 

Doch die Ausbeutung der Frau hört hier noch nicht auf. 

Nehmen wir hierfür ein zweites Beispiel: 

Eine werktätige Frau steht um 5:30 Uhr auf, zieht sich an und weckt ihre Kinder. Sie hilft ihnen, sich anzuziehen und für die Schule fertig zu machen, schmiert ihnen ihre Pausenbrote und fährt sie zur Schule. In ihrer Firma angekommen arbeitet sie bis 16 Uhr, geht einkaufen, fährt nachhause und beginnt zu kochen. Nach dem gemeinsamen Abendessen macht sie den Abwasch, putzt die Küche und bringt schließlich die Kinder wieder zu Bett. 

Uns ist wohl allen bewusst, dass diese Schilderung der Realität unzähliger Frauen entspricht. Wir erinnern uns hierbei vielleicht an unsere eigenen Mütter, Großmütter, Schwestern oder auch an uns selbst. Diese Lebensrealität vieler Frauen ist aber nicht Teil einer „natürlichen Ordnung“, geschweige denn ein Zufall. Frauen wird ganz bewusst eine bestimmte Rolle durch den Kapitalismus zugewiesen – eine Rolle der unverhältnismäßigen Arbeitsteilung. Die Struktur der sogenannten „Bürgerlichen Kleinfamilie“, in welcher nur Mann, Frau und Kinder Raum finden, verlangt nicht nur eine heterosexuelle Ordnung der Familie, sondern auch eine strikt-traditionelle Rollenverteilung. Daher sind Frauen nicht nur als Arbeiterinnen der kapitalistischen Ausbeutung ausgesetzt, sondern ihnen wird zusätzlich die unbezahlte Reproduktionsarbeit zugeteilt. Unter Reproduktionsarbeit wird beispielsweise die Hausarbeit oder auch die Erziehung von Kindern verstanden. Grundsätzlich umfasst die Reproduktionsarbeit alle Aufgaben, welche übernommen werden müssen, um die Arbeitstätigkeit der Arbeiter:innen zu gewährleisten und neue Arbeitskräfte für den Markt sicherzustellen. Der Kapitalismus zwingt deshalb die Frau zur unbezahlten Reproduktionsarbeit, da nur so sein vorzeitiges fortbestehen garantiert werden kann. Wir sehen wie sich unzählige Frauen aufgrund ihrer Reproduktionsarbeit gezwungen sehen Teilzeitjobs zu übernehmen oder in einer heterosexuellen Beziehung in die Abhängigkeit ihres Partners geraten. Der Kapitalismus versucht alles Erdenkliche um die Fesseln der Frau so fest wie möglich zu ziehen. 

Indem wir uns jedoch über die irrationale Aufteilung der Arbeit im Klaren werden, können wir uns ein fortgeschrittenes Bewusstsein über unsere Ausbeutung schaffen. Wir müssen uns vor Augen führen, dass die Geschichte den Frauen eine besondere Rolle in der Befreiung der Menschheit zuweist. Unser objektives Interesse an der Beseitigung des herrschenden Systems liegt doppelt so schwer, denn wir sagen nicht nur dem Kapitalismus, sondern auch dem Patriarchat den Kampf an! 

Hier gilt es nun in Aktion zu treten! Indem wir unsere Arbeit stilllegen, sei es die Arbeit in der Produktion oder die unbezahlte Reproduktionsarbeit sind wir in der Lage nicht nur den Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit offenzulegen, sondern auch den zwischen den Geschlechtern. 

Nicht zu vergessen: wir führen diesen Kampf nicht allein. Wir können uns unzählige Vorbilder nehmen den zahlreichen Frauen, welche sich bereits dem Frauenstreik angeschlossen haben. 1968 legten beispielsweise die Näherinnen der Ford-Fabrik in Dagenham, England, ihre Arbeit nieder, um gegen die Ungleichbezahlung zwischen den Geschlechtern zu demonstrieren. Ihre Arbeitsbedingungen waren gezeichnet von der stickenden Hitze in den Fabriken im Sommer und der beißenden Kälte im Winter. Indem die 187 Arbeiterinnen dieser Fabrik jedoch mehrere Wochen streikten, legten sie die ganze Ford Produktion lahm – Kosten von mehreren Millionen Pfund entstanden für das Unternehmen. Nach Wochen des entschlossenen Kampfes wurden die Forderungen der streikenden Frauen schließlich erfüllt und sie erlangten ihre Lohnerhöhung. Sie haben uns gezeigt, welche Kraft der Streik innehat!

Ein System, welches nur aufrechterhalten wird, weil Frauen ihre vorgeschriebene Rolle einnehmen, kann folglich zerstört werden, indem wir uns dieser Rolle nicht mehr länger zuweisen lassen! Frauen haben die Stärke, sich von ihrer ökonomischen und häuslichen Ausbeutung zu befreien und sich dem Streik anzuschließen! Daher rufen wir alle Frauen auf, am 8. März, dem internationalen Frauenkampftag, sich dem Frauenstreik anzuschließen. Legt eure Arbeit nieder! 

wenn wir streiken, steht die welt still!

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