März 2023: Die neoliberale Regierung unter Macron bringt das Gesetz zur Rentenreform durch. Zusammengefasst bedeutet das für alle Arbeiter:innen Frankreichs, dass sie mindestens zwei Jahre länger schuften müssen. Dass dieses Gesetz kommen wird, war schon lange klar – auch dass es durchgebracht werden würde. Trotzdem entschlossen sich die Arbeiter:innen gegen diese Politik zu streiken und zu protestieren, sodass wir seit Wochen die gefüllten Straßen Frankreichs sehen können. Den Erfolg dieser Protestwelle können wir anhand einiger Punkte festmachen. Die französischen Arbeiter:innen haben den Kapitalist:innen und vor allem dem Staat gezeigt, welche Macht in ihren Händen liegt. Es zeigt sich, dass die Protestkultur und das Klassenbewusstsein in Frankreich auf einem ganz anderen Niveau als in Deutschland ist. Durch zum Beispiel branchenübergreifende Absprachen konnten diese Streikverbote umgegangen werden. Außerdem schrecken die französischen Arbeiter:innen nicht davor zurück selbstbewusst als Klasse aufzutreten und bei den Aktionen auf den Straßen dem Staat so viel Schaden wie möglich zuzufügen. Doch angezündete Autos, eingeschlagene Scheiben und brennende Barrikaden sind nicht der größte Schaden, den der Staat verkraften muss. In erster Linie ist das Ziel eines Streiks die Produktion zu stoppen und so dafür zu sorgen, dass die Kapitalist:innen in dieser Zeit keinen Profit mehr schaffen können. Und genau das gelang den Streikenden in Frankreich. Fast der gesamte Energie- und Stromsektor hat gestreikt, sodass sogar Atomkraftwerke betroffen waren und in einigen Orten der Strom komplett ausgefallen ist. Hätte der Streik früher begonnen und nicht erst Anfang März, wäre der politische Druck auf den Staat vielleicht tatsächlich so groß gewesen, dass diese Reform hätte verhindert werden können. Nichtsdestotrotz ist diese Art von Streik in Frankreich beispielhaft für Arbeiter:innen in ganz Europa. Und wir sehen, dass sich diese Streikkultur langsam, aber sicher ausbreitet. Auch wenn die Streiks in Deutschland noch auf einem niedrigeren Niveau sind als in Frankreich oder England, so sehen wir trotzdem eine fortschrittliche Entwicklung: Es wird mehr gestreikt in Deutschland – heute waren beispielsweise 350.000 Beschäftigte des Nahverkehrs, der Flughäfen, des öffentlichem Diensts und der Häfen auf den Straßen – die Forderungen werden stärker und vor allem lassen sich die Arbeiter:innen nicht mehr alles von den Kapitalist:innen gefallen!
Eine weitere positive Entwicklung, die wir gerade beobachten können, ist, dass die Frauenbewegung und die Gewerkschaften immer näher zusammenrücken. Und das ist kein Zufall, denn in Zeiten der Teuerungen, Energiekrisen und Kriege sind es die Frauen, die wie immer stärker unter den Umständen leiden. Frauen werden im patriarchalen Kapitalismus doppelt ausgebeutet, denn von ihnen wird erwartet, dass sie neben der normalen Lohnarbeit noch unbezahlte Reproduktionsarbeit leisten. Dass Frauen sehr viel häufiger in Teilzeit-, Midi- oder Minijobs arbeiten als Männer, ist ein allgemeines Phänomen. Durch den doppelten Charakter der Ausbeutung der Frau, sind sie natürlich dazu gezwungen solche Kompromisse einzugehen. Was uns vom Kapitalismus als großartige Möglichkeiten für die selbstständige Frau, die Arbeit und Familie unter einen Hut bekommt, verkauft wird, hat fatale Folgen. Selbst wenn Frauen einen Partner haben, der genug verdient, sodass das Geld für den gesamten Haushalt reicht, hat die Sache einen großen Haken: Die finanzielle Abhängigkeit der Frau von ihrem Partner nimmt zu. Was ist, wenn der Partner gewalttätig ist? Was ist, wenn man sich aus anderen Gründen trennen möchte? Die Gewissheit, dass man ohne den Partner nicht genug Geld zum Überleben hat, sorgt dafür, dass viele Frauen den Schritt der Trennung gar nicht erst wagen wollen oder können. Und was ist, wenn man im Alter als Frau plötzlich alleine dasteht? Auch dann stehen Frauen vor einem riesigen Problem, denn all die unbezahlte Reproduktionsarbeit bringt ihnen für die Rente nichts. Anfang des Jahres wurde eine Studie veröffentlicht, welche zeigte, dass 40% der Frauen in Deutschland, die in einem Vollzeitjob arbeiten, eine Rente von unter 1000 Euro erhalten werden. Wenn man bedenkt, dass selbst Frauen, die ihr ganzes Leben Vollzeit gearbeitet haben, teilweise heutzutage Renten unter 1000 Euro bekommen, kann man sich vorstellen, wie es für Frauen aussieht, die ihr ganzes Leben nur in Teilzeit-, Midi- oder Minijobs gearbeitet haben. Frauen erhalten im Schnitt 50% weniger Rente als Männer. Dass Frauen also stärker von Altersarmut betroffen sind, ist ein Fakt. Studien zeigen, dass 21% der Frauen über 75 von Altersarmut betroffen sind; bei den Männern sind es nur 16%.
Es ist also klar, dass viele Arbeiter:innen im Rentenalter in Armut leben werden, vor allem Frauen. Schon jetzt bedeutet das, dass kein Geld für Kino-, Restaurantbesuche oder alles andere da ist, was nicht zwingend zum Überleben nötig ist. Angesichts der sich zuspitzenden Krise und den Preissteigerungen wird das in Zukunft bedeuten, dass für viele nicht einmal mehr genug für das zwingend Notwendige da sein wird. Und so kommen wir wieder bei den aktuellen Arbeitskämpfen an. Gerade für Frauen ist der Kampf für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne schließlich überlebenswichtig. In keinem anderen Land wie Deutschland ist die Lücken zwischen den Geschlechtern bei den Rentenzahlungen so groß. Das liegt zum einen an der doppelten Belastung durch die Reproduktionsarbeit und daran, dass Frauen weniger Lohnarbeit verrichten oder „Lücken im Lebenslauf“ besitzen, wie z.B. nach Geburten. Aber es liegt auch daran, dass Berufe, die eher von Frauen ausgeübt werden, viel zu schlecht bezahlt werden. Und genau deswegen war es ein wichtiger Schritt, dass die Gewerkschaften am 8. März zum Streik im Erziehungsbereich aufgerufen haben, denn diese Missstände müssen klar benannt werden. Es ist wichtig, dass die Pfleger:innen in Deutschland streiken, obwohl eine mediale Hetzkampagne gegen sie geführt wird, da sie angeblich verantwortungslos handeln. Und es ist wichtig, dass Frauen in Frankreich auf den Straßen sind, um gegen die neoliberale Rentenreform zu streiken. Es ist wichtig, dass Frauen momentan auf die Straßen gehen, doch sie sollen noch viel weitergehen! In Zeiten, in denen sich die Widersprüche des Kapitalismus immer weiter zuspitzen und vor allem Frauen unter den Bedingungen leiden, wird der Frauenstreik zu einer wichtigen Waffe im Kampf gegen Patriarchat und Kapitalismus. Frauenstreik heißt nicht, dass Frauen für etwas mehr Geld und Anerkennung auf die Straßen gehen. Frauenstreik heißt, dass Frauen den Streik wieder politisch werden lassen. Es soll nicht bei gewerkschaftlichen Streiks bleiben, die sich an die Regeln der Herrschenden halten. Es müssen Streiks entstehen, die sowohl ökonomische als auch politische Forderungen stellen. Streiks bei denen die Frauen die Lohn- und auch die Reproduktionsarbeit niederlegen und somit die Kapitalist:innen und den Staat direkt ins Visier nehmen.
Für mehr Informationen über den Hintergrund des Frauenstreiks könnt ihr folgenden Artikel lesen:
(Dieser Artikel wurde im Nachhinein überarbeitet)
Kommentar verfassen