Am 8. März, dem internationalen Frauenkampftag, wurde der Aufruf zu einem Frauenstreik in Hildesheim in die Tat umgesetzt. ZORA Hildesheim, unsere neu gegründete Ortsgruppe, organisierte einen Schüler:innenstreik und zeigt uns damit, welches Potenzial in der Schularbeit liegt, wie wir sie nutzen und organisieren können. Die Schule ein Ort, an dem viele Jugendliche aufeinandertreffen und vielleicht das erste Mal mit den Widersprüchen in ihrem Leben konfrontiert werden. Gerade der Schulalltag von jungen Frauen und Mädchen ist geprägt von Konkurrenzverhalten, Leistungsdruck aufgrund von Noten, aber auch Schönheitsidealen und Rollenvorstellungen, in die sie gedrängt werden. Schülerinnen werden diskriminiert und sind sexueller Gewalt ausgesetzt, welche sie von ihren Mitschülern und Lehrern erfahren. Das alles macht die Schule zu einem politischen Ort, bei dem es wichtig ist, sich als Organisation zu verankern, um den Schülerinnen eine Perspektive zu geben und sie als politische Subjekte zu organisieren.
In diesem Artikel schauen wir uns daher die Planung und Durchführung des Schulstreiks an, um für uns Schlüsse für die weitere Arbeit an Schulen ziehen zu können.
Im Januar begann unsere Planung für den 8. März mit einer groben Analyse über die Perspektiven in der Stadt und wie wir den Frauenkampftag gestalten können. Schnell wurde klar: wir wollen einen Schulstreik organisieren! Da wir einige junge Frauen und nichtbinäre Personen in unseren Reihen hatten, konnten schnell erste Verankerungen an den Hildesheimer Schulen geschaffen werden. Es zeigte sich: Mobilisierung ist das A und O, wenn man eine neue Form des Protestes plant und neue Zielgruppen erreichen möchte. Flyer wurden verteilt und Plakate aufgehängt. Wir haben vor allem Schüler:innen direkt angesprochen und sie teilweise auch in die Mobilisierung miteinbezogen. Das hat uns neue Türen geöffnet, und die Organisation ZORA hat neue Menschen erreicht. Schon in den Vorbereitungen zeigten sich viele junge Frauen interessiert und unterstützten das Vorhaben von ZORA. Auch mit Veranstaltungen wie einem offenen ZORA Café und einem Filmabend zum Thema Femizide konnte sich ZORA in der Stadt einen Namen machen und war durch regelmäßiges Auftreten präsent. Auch auf dem Klimastreik am 03.03. haben wir uns als ZORA beteiligt und vor allem Schüler:innen für den Streik mobilisieren können.
Dadurch, dass wir uns einer neuen Aktionsform angenommen haben, mit welcher keiner von uns Erfahrung hatte, kamen auch oft Unsicherheiten oder Zweifel auf. Gerade dann war es wichtig, seinen Genoss:innen Mut zu machen und sich von den eigenen Zweifeln nicht einschüchtern zu lassen.
Doch spätestens am Morgen des 8.März wussten alle Genoss:innen, dass wir eigentlich nur erfolgreich sein konnten.
Um 10:30 Uhr begann die 5-Minuten Pause und damit der Schulstreik. Erste Schüler:innen kamen aus dem Unterricht und reihten sich dem Streik ein. Selbst von anderen Hildesheimer Schulen kamen Aktivist:innen und Schülerinnen aus dem Unterricht, um sich dem Streik anzuschließen. Insgesamt streikten 50 junge Frauen und nichtbinäre Personen und forderten:
– Die Abschaffung von Kleiderordnungen an unseren Schulen – für das Recht auf Selbstbestimmung!
– Zugang zu Bildung für Mädchen und Frauen international!
– Stoppt die sexualisierten verbalen und körperlichen Angriffe – für unabhängige Aufarbeitung und härtere Konsequenzen für solche Grenzüberschreitungen
– Umfassendere, inklusive Aufklärung im Sexualkundeunterricht!
Der Schulstreik in Hildesheim sorgte für Aufmerksamkeit und hat Spuren hinterlassen. Viele Schüler:innen und Jugendliche, kritisieren immer wieder Themen wie sexistische Kommentare oder beispielsweise das Einführen einer Kleiderordnung in ihren Schulen. Doch Hoffnung auf eine reale Veränderung gibt es meistens nicht. Wenn solche Themen angesprochen werden, sind sich eigentlich alle einig, und danach wird das Thema wieder vergessen. Jugendliche, gerade Schülerinnen, trauen sich meist nicht laut zu werden oder werden mit ihren Forderungen nicht gehört. Doch wir haben gesehen – Jugendliche, insbesondere junge Frauen und LGBTI+ wollen für ihre Rechte einstehen und für ihre Befreiung kämpfen. Und das geht nur gemeinsam und organisiert!
Schon unmittelbar nach dem Streik zeigte sich: es wurde ein Stein ins Rollen gebracht. Nicht nur Schüler:innen tauschten sich rege über den Streik und die Forderungen aus, sondern auch im Unterricht wurde danach über das Thema sexuelle Übergriffe an Schulen gesprochen. Jedoch waren nicht alle Lehrkräfte begeistert. In einem Zeitungsartikel über den Frauenstreik an der Schule wurde von Seiten des Schulleiters alles versucht, um uns unsere Inhalte zu nehmen. Rechtfertigungsversuche für eine Kleiderordnung wurde von ihm mit sexistischen Vorstellungen an die Öffentlichkeit getragen. In dem Zeitungsartikel behauptete er unter anderem, dass die Kleiderordnung junge Frauen vor Missbrauch schütze. Das ist nicht nur Victim-Blaming, sondern auch eine Sexualisierung der Körper von Schülerinnen!
Für uns ist klar: Wir können wütend sein und aktiven Einfluss im gesellschaftlichen Leben haben! Wir müssen nun gemeinsam dafür sorgen, dass der Streik Früchte trägt und wir aus ihm lernen können. Lasst uns kraftvoll aus diesem Streik in eine erfolgreiche Schularbeit übergehen! Lasst uns organisiert unsere Forderungen in die Institutionen tragen, die mit patriarchaler Ideologie vergiftet sind! Lasst uns Solidarität stärken und Konkurrenzverhalten sowie Leistungsdruck besiegen! Lasst und eine langfristige Bewegung schaffen, in der sich junge Frauen als politische Subjekte verstehen können!
Lasst uns unsere Erfahrungen kollektivieren und voneinander lernen!
Ob in Hildesheim, in Paris, oder sonst wo:
Wenn wir streiken, steht die Welt still!
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