Frauen in Afghanistan

Liebe Leser:innen bestimmt habt ihr in der Schule auch schonmal Traumreisen durchgeführt. Meistens gings in diesen Reisen wahrscheinlich, um schönere Orte. Um Orte, an denen man entweder Vogelgezwitscher oder irgendwelche Naturgeräusche genossen hat.
Lasst uns heute auch eine Traumreise durchführen. Jedoch keine Reise in schöne Naturgebiete, wo wir uns irgendwo hinsetzen und die Aussicht und die Geräusche genießen. Lasst uns als junge Frauen eine Fantasiereise nach Afghanistan machen.

Es ist Frühling. Ein leichter Wind weht sanft über die Felder. Heute Morgen müssen wir alle recht früh aus den Federn. Ich treffe mich mit Ayla, um gemeinsam zur Schule zu laufen. Mama ist schon sehr früh wach und hat bereits Frühstück für Papa und mich vorbereitet, schnell trinke ich meinen Tee, der eh schon kalt ist, und esse ein Stück Brot. Ich richte nochmal mein Kopftuch und rede, mit meinen Eltern, über die Aufnahmeprüfung zur Hochschule. Ayla, meine beste Freundin und ich, wollen beide Grundschullehrerin werden. Meine Mutter hatte nie die Chance, eine Bildung zu genießen. Daher kann sie weder schreiben noch lesen. Doch ich habe meiner Mutter versprochen, ihr sowohl das Lesen, als auch das Schreiben beizubringen. Ich wusste, dass es für meine Eltern unglaubliche Neuigkeiten wären, wenn ich die Aufnahmeprüfung zur Hochschule bestehen würde. Ein letztes Mal schaue ich in meinen Rucksack und bemerke, dass ich mein Matheheft vergessen habe. Schnell renne ich in mein Zimmer und packe mein Matheheft in meinen Rucksack ein. Ich verabschiede mich von meinen Eltern und laufe schnell zum Treffpunkt. Ayla wartet bereits auf mich. Mit einer trotzigen Stimme sagt Ayla, dass sie genervt ist, immer auf mich warten zu müssen. Ich umarme Ayla und packe sie an der Hand und beginne immer schneller zu laufen.
Durch die staubigen Gassen machen wir uns auf den Weg zur Schule. Hinter der Moschee befindet sich unsere Schule. Im Hof angekommen, begrüßen Ayla und ich unsere Freundinnen und laufen gemeinsam in unser Klassenzimmer. Nach und nach trudeln alle ein. Wir schlüpfen aus unseren Schuhen und treten in unser Klassenzimmer ein.
Heute schreiben wir einen Chemietest, es ist mucksmäuschenstill im Raum. Wir sitzen weit auseinander, damit niemand abschreiben kann. Momina ist als erste fertig und gibt ihren Test ab.
Nach der Schule laufen Ayla und ich gemeinsam nach Hause. Ich umarme Ayla und verabschiede mich von ihr. Zu Hause angekommen erzähle ich meiner Mutter, wie gut mein Chemietest verlief. Sie gibt mir einen Kuss auf die Wange und freut sich mit mir. Am Abend sitze ich gemeinsam mit meinen Eltern am Esstisch und esse genüsslich die leckeren Sambossa, die meine Mutter gemacht hat. Mein Vater sieht während des Essens fern. Während meine Mutter und ich über den heutigen Chemietest reden, sagt mein Vater wir sollen leiser reden. Er nimmt die Fernbedienung und stellt die Lautstärke höher ein. In den Nachrichten wird gesagt, dass von nun, die Bildung an Frauen, durch die Taliban verboten wird. Mein Traum und meine Hoffnung zerplatzt. Ich werde meinen Traum, zur Grundschullehrerin nicht mehr erfüllen können …

Am 20. Dezember 2022 zwangen die Taliban alle Universitäten dazu, bis auf Weiteres keine weiblichen Student:innen aufzunehmen. Bis heute gab es keine Verbesserungen in Bezug zu den Frauenrechten in Afghanistan. Stattdessen erließen die Taliban Vorschriften, die Frauen und Mädchen daran hindern, ihre grundlegenden Rechte auf Meinungsäußerung, Freiheit und Bildung wahrzunehmen. Afghan:innen, die für ihre Rechte protestieren, werden bedroht, verhaftet und gefoltert. Frauenrechtsaktivist:innen berichten von Entführungen, Zwangsverheiratungen und Vergewaltigungen.
Der Weg aus der patriarchalen Herrschaft der Taliban bietet der Weg, den die Frauen vor neun Jahren in Rojava gegangen sind: Als das Pendant zu den Taliban, nämlich der IS (Islamischer Staat), seine Schreckensherrschaft im Mittleren Osten mit türkischer Unterstützung immer mehr ausweitete, nahmen die Frauen den Kampf gegen den schärfsten Ausdruck des Patriarchats selbst in die Hand. Sie organisierten sich und konnten sich letztlich erfolgreich gegen den IS durchsetzen. Die Rojava Revolution ist eine Frauenrevolution, an der wir sehen, was wir erreichen können, wenn wir uns als Frauen selbst organisieren und gegen unsere Unterdrücker kämpfen. Genau dies ist der Weg, den die afghanischen Frauen und die Frauen im gesamten Nahen Osten einschlagen werden.

Es liegt auch an uns, die gemeinsame Perspektive der afghanischen Frauen aufzuzeigen und ihnen die Unterstützung zu bieten, welche sie dringend benötigen. Wir, die in einem kapitalistischen Land wie Deutschland beheimatet sind, stehen in einer besonderen Verantwortung, die internationale Solidarität auf unsere Fahnen zu schreiben. Die Verwirklichung dieser ist dabei nichts Abstraktes und erfordert viel mehr als nur das Kundtun von Parolen. Sie erfordert den aktiven Kampf gegen den Imperialismus, insbesondere gegen den deutschen. Wir müssen seine Entwicklungen ständig beobachten, analysieren und seine Verbrechen entlarven. Es muss uns gelingen, all die Kriegsverbrechen während des Afghanistankriegs aufzuzeigen, die jetzigen angestrebten Verhandlungen mit der faschistischen Taliban zu verurteilen sowie die menschenverachtende Anti-Asylpolitik anzuprangern und für ein echtes Recht auf Asyl kämpfen.
Lasst uns das Leid der afghanischen Frauen nicht vergessen und unsere internationale Solidarität stärken!
Frauen kämpfen international gegen Faschismus, Krieg und Kapital!

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