Ob Dalai Lama oder neues Sexualstrafrecht: Institutionen bieten Kindern keinen Schutz

Als geistliches Oberhaupt Tibets entspricht der Dalai Lama für die Mehrheit der Bevölkerung einer Figur des Friedens und der Harmonie. Als Gesicht des Kampfes für die Rechte und Freiheiten der Tibeter:innen wurde er 1989 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Doch ein Blick in die Nachrichten zeigt das Bröckeln der Fassade. Vor einigen Tagen küsste der 87-jährige Dalai Lama einen Jungen und forderte ihn, vor den Augen hunderter Menschen bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung, auf seine Zunge abzulecken. Ein Video über den Vorfall sorgte direkt nach dem Eklat für riesige Aufruhr und Empörung auf Social Media und in den bürgerlichen Nachrichten. Werfen wir einen Blick auf die Berichterstattung und Einordnung des Vorfalls finden wir ein Spektrum vor, welches zwischen „Falschdarstellung des sanftmütigen Dalai-Lamas“ und „Verstörendem Verhalten“ schwebt. 

Unbenannt bleibt jedoch, dass es sich hier klar um grenzüberschreitende Gewalt an Kindern handelt, welche sich nicht nur in dem jüngsten Vorfall, sondern auch in der gesamten Geschichte religiöser Institutionen abzeichnet. Allen Leser:innen wird wohl der erschütternde Faden sexuellen Missbrauchs an Kindern, welcher sich durch die Existenz der katholischen Kirche zieht, als Paradebeispiel in dieser Thematik dienen. Wir reden hier von unzähligen religiösen Oberhäuptern, welche sich das Recht herausnehmen über den Körper eines Kindes bestimmen und seine Autonomie ignorieren zu können. Die bewusste Vernachlässigung der Aufarbeitung, die Leugnung eines strukturellen Problems, die Tabuisierung und der folglich offensichtliche Schutz der Täter entspricht hier eine Norm, keiner Ausnahme! In einer Gesellschaft, in der Kinder nicht als vollwertige Menschen betrachtet werden, sondern als Eigentum der Erwachsenen ihres Umkreises, herrschen weder Privatsphäre noch persönliche Grenzüberschreitungen. Ihnen wird kein eigener Wille oder gar die Selbstbestimmung zugestanden und die Auswirkungen dieser Wertung von Kindern wird spätestens in Vorfällen, wie jenen bezüglich des Dalai-Lamas, deutlich. 

Doch nicht allein religiöse Institutionen zeichnen sich hier als die Täterschützer ab. Wir blicken auf eine Gesellschaft, welche hinsichtlich jeder Institution keine wirksamen Schritte geht, um den Schutz von Kindern zu gewährleisten – mit unter hier in Deutschland. Vor einigen Wochen setzte sich Nancy Faeser, Bundesministerin des Innern und für Heimat, für die Lockerung des Sexualstrafrechts, welches für die Verbreitung, den Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte zuständig ist, ein. In ihrer Begründung argumentiert Faeser unter dem Gesichtspunkt, dass minderjährige Jugendliche sich strafbar machen, indem sie sich gegenseitig Nacktfotos schicken. Mit ihrem Plädoyer einer Entschärfung zeigt sich jedoch die unbedachte Handhabung solcher Gesetze seitens des Staats. Durch eine solche Entschärfung stehen wir keiner Ursachenbekämpfung gegenüber – erst recht nicht in einer Welt, in der sich bereits 12-jährige Kinder dem Zwang unterordnen Nacktfotos von sich oder anderen zu teilen. Wir sehen, dass keine Schritte entgegen der Sexualisierung von Kindern oder der sexualisierten Gewalt ihnen gegenüber getan werden. Was wir hier jedoch beobachten können, ist, wie eine solche allgemeine Lockerung des Paragrafen 184b des Strafgesetzbuches pädophilen Tätern einen deutlich größeren Freiraum bieten wird in Bezug auf Kinderpornographie. Ganz zu schweigen davon zeigt uns Faeser mit ihrer Aussage „Dann hätten die Ermittlungsbehörden auch mehr Luft, die wirklich schlimmen Taten zu bekämpfen“, wie viel ihr tatsächlich am Schutz von Kindern und Jugendlichen liegt. 

Wie aus dem Bilderbuch zeigt sie uns, dass staatliche Institutionen nicht für die tatsächliche Befreiung unserer Gesellschaft von jeglicher Gewalt kämpfen, auch wenn erstmalig eine Frau das Amt der Bundesministerin des Innern und für Heimat innehat. Der Staat wird uns keine Bekämpfung in Bezug zur sexualisierten Gewalt an Kindern erbringen und erst recht keine Gesellschaft, in der jeder Mensch befreit leben kann.

Eine solche Welt, in der Kinder weder einen Priester, ihren Vater, noch die Gesetzgebung des Staates fürchten müssen, ist eine Welt, die wir uns erkämpfen können!

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