DEMONSTRATION GEGEN FEMIZIDE 29.4.2023 UM 16 UHR AN U EBERSWALDER STRASSE
Gerechtigkeit für Zohra! Gerechtigkeit für alle!
Gerechtigkeit für alle Frauen, die überall auf der Welt durch die Hand eines Mannes ermordet werden. Zohra wurde vor einem Jahr in Pankow von ihrem Ex-Mann umgebracht, weil er seine Frau als sein Eigentum betrachtet hat. 122 Mal haben wir seit Zohras Tod die Nachricht bekommen, dass uns eine weitere Schwester genommen wurde, 122 Frauen ermordet durch die Hand eines Mannes hier in Deutschland.
Zohra floh aus Afghanistan nach Deutschland in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Nach 14 Jahren Unterdrückung, häuslicher Gewalt, sexualisierten Missbrauch bis hin zu Vergewaltigungen trennte sie sich von ihrem Ehemann. Dieser bedrohte sie daraufhin täglich, sprach sogar Morddrohungen aus. Zohra suchte sich Hilfe. Unter anderem stellte sie beim Familiengericht einen Antrag, um ein Kontakt- und Näherungsverbot zu erwirken. Normalerweise wird über so einen Antrag innerhalb von ein paar Stunden bis hin zu wenigen Tagen entschieden. Warum es bei Zohra über eine Woche nicht dazu kam, wissen wir bis heute nicht. Zohra zeigte ihren Mann drei Mal an und auch ihre Schwester, die in einer anderen Stadt lebt und auch bedroht wurde, wendete sich an die Polizei, diese blieb jedoch tatenlos. Zwar bekam ihr Ex-Mann Hausverbot in der Geflüchteten-Unterkunft in der Zohra lebte, aber das war kein Schutz, er lauerte ihr davor auf und ermordete sie.
Die Morde an Frauen, wir nennen sie Femizide, stehen am Ende einer langen Kette von Hass, Erniedrigung, Gewalt und Unterdrückung von Frauen. Es liegt an uns für Zohra und für alle Ermordeten, um Aufklärung und Gerechtigkeit zu kämpfen!
Femizide werden immer wieder als Einzelfälle, als Beziehungsdramen, unvorhersehbare Ereignisse dargestellt oder tragische Unfälle, wie die Verteidigung von Zohras Mörder die brutale Tat beschreibt. Wir sehen und wissen, dass dies Lügen sind. So häufig sind die Täter schon polizeibekannt, so häufig geht jahrelange Gewalt der Tötung voraus, so häufig versuchen sich die Frauen Hilfe zu holen, die ihnen nicht gewährt wird.
Zohra wurde von den Berliner Behörden nicht ernstgenommen, ihr wurde nicht geglaubt und die Beamten, welche mit ihr in Kontakt kamen, bemühten sich nicht einmal um eine angemessene Übersetzung. Sie stellten für Zohra keinerlei Umfeld her, in dem sie geschützt von der erfahrenen Gewalt berichten konnte, nein, sie verhörten Zohra im Foyer des Flüchtlingsheims, in welchem sie lebte. Sie gaben Zohra keinen Raum, in dem sie sicher, ohne die Anwesenheit eines Mannes die verletzten Körperbereiche zeigen konnte. Zohras Hilfeschreie wurden ignoriert und sie reiht sich ein in eine große Zahl an Frauen, die vor ihr und nach ihr Schutz bei der Polizei suchten und keinen bekamen. Frauen, die wie Zohra ermordet wurden von den Männern, die sie vorher anzeigten.
Selbst darauf, dass die Justiz nach einem Femizid Gerechtigkeit herstellt, können wir nicht hoffen. Denn deutsche Gerichte sind der Meinung, dass die Tötung einer Ex-Partnerin umso verständlicher wird, wenn die Trennung von der Frau ausging. Während dieser Staat uns jeglichen Schutz verwehrt, uns nicht zuhört, nicht glaubt und keine Plätze in Frauenhäusern oder anderen institutionellen Schutz bereitstellt, gibt er uns gleichzeitig die Schuld daran, dass wir von unseren Partnern, Ex-Partnern oder anderen Männern ermordet werden. Die Tötung einer Frau, aufgrund der Entscheidung ihr Leben selbstbestimmt und von einem Mann unabhängig zu leben, wird von der Justiz als nachvollziehbar angehsehen.
All diese Tatsachen führen uns vor Augen, dass Gewalt an Frauen eben kein kulturelles Problem ist, wie uns oft versucht wird weiszumachen. Sie ist kein Auswuchs vermeintlich „unzivilisierter“ Kulturen. Dieses Bild befeuert nur weiter rassistische Feindbilder und verschiebt zugleich die Sicht auf das eigentliche Problem: Das Patriarchat, dessen Gewaltherrschaft in jedem kapitalistischen Land fest verankert ist. Ob in Deutschland, Afghanistan oder sonst wo – Gewalt an Frauen steht auf der Tagesordnung und mündet nicht selten in Femiziden. Aber gleichzeitig erleben wir breiten Widerstand von Frauen weltweit. Den Kampf für Gerechtigkeit, gegen Ausbeutung und Unterdrückung, führen Frauen an vorderster Front. Es sind Frauen, die einen gesamtgesellschaftlichen Aufstand gegen das faschistische Regime im Iran ausgelöst haben. Es sind Frauen in Afghanistan, die sich gegen die Taliban organisieren und unter Lebensgefahr Mädchenschulen im Untergrund aufbauen. Angesichts der Tatsache, dass in Deutschland alle drei Tage eine Frau ermordet wird, sind wir auch hier dazu verpflichtet, den gerechten Kampf gegen das patriarchale System aufzunehmen.
Unsere expliziten Forderungen:
- Das Versagen der Behörden muss transparent aufgearbeitet werden und sie müssen zur Verantwortung gezogen werden. Auch unterlassene Hilfeleistung bei Amtsträgern muss geahndet werden. Der brutale Mord an Zohra darf nicht als einfacher Totschlag abgetan werden oder die Strafe aufgrund von angeblicher Schuldunfähigkeit gemildert werden.
- Es gibt keine Wiedergutmachung, aber wir fordern finanzielle Unterstützung für die Familie von Zohra.
- Anstatt dass immer mehr Geld in Aufrüstung gesteckt wird, um weiterhin imperialistische Kriege zu führen, die Frauen in zahlreichen Ländern in prekäre Situationen führen, muss die Regierung viel Geld in die Hand nehmen und allen Frauen, egal ob mit deutscher Staatsangehörigkeit oder nicht, egal mit welchem Aufenthaltstitel, Schutz vor Gewalt gewährleisten. Wir brauchen genug Frauenhäuser, in denen auch Frauen mit vielen Kindern wie Zohra Zuflucht finden, Maßnahmen zum Schutz der Betroffenen und nachhaltige Hilfsprogramme.
Lasst uns dafür am 29.4.2023, genau ein Jahr nach der Ermordung Zohras, auf die Straße gehen. In Gedenken an Zohra und an alle ermordeten Frauen. Wir müssen uns zusammentun und gegen Femizide und das System, das hinter ihnen steht, kämpfen!
Unsere Befreiung gibt es nicht allein, entweder zusammen oder keine!
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