Am 6. Mai haben wir als Zora und SKB zum internationalen Frauensymposium nach Frankfurt am Main eingeladen, um über das Programm der Frauenrevolution zu diskutieren. Über 230 Frauen aus den unterschiedlichsten Ländern nahmen teil, um Diskussionen über den weltweiten und aktuellen Zustand des Frauenbefreiungskampfes zu führen. Hierfür diskutierten wir mit Rednerinnen aus zahlreichen Ländern – darunter aus den Philippinen, Argentinien, dem Iran, Türkei, Kurdistan und Afghanistan. Um von den Erfahrungen und Kämpfen von Frauen aus der ganzen Welt zu nutzen haben wir nicht allein die spannenden Diskussionspanel verfolgt, sondern auch die Chance genutzt mit einigen der anwesenden Rednerinnen ins Gespräch zu kommen. Hierfür haben wir im folgenden Artikel zwei Interviews mit den Rednerinnen der Philippinen und Afghanistan vorbereitet:
RAWA Aus Afghanistan
Was für eine Organisation ist RAWA und was sind Ihre bisherigen politischen Errungenschaften?
„Die Revolutionary Association of Women in Afghanistans RAWA ist eine soziale und politische Organisation afghanischer Frauen. Wir kämpfen für die Rechte der Frauen, Demokratie und soziale Gerechtigkeit in Afghanistan. Wir wollen, dass frauen die Führungsposition einnehmen, um gegen das Patriarchat, den Feudalismus und den Imperialismus zu kämpfen, denn in unserem Land gehen Feudalismus und Imperialismus Hand in Hand. Diese Kräfte versuchen die Frauen daran zu hindern, Teil der Gesellschaft zu sein. Die Taliban und andere Fundamentalisten sind die Vertreter des Feudalismus und des Imperialismus in Afghanistan. Sie sind Misogynisten, sie wollen die Frauen aus der Gesellschaft ausschließen und eliminieren, und deshalb kämpfen wir gegen diese Elemente, gegen die Taliban und gegen alle anderen imperialistischen Mächte.“
Die Situation in Afghanistan ist in den Medien und Nachrichten in Europa seit ein oder zwei Jahren nicht mehr wirklich präsent. Wie ist die Lage ein Jahr nach der Machtübernahme durch die Taliban? Wie geht es den Menschen und insbesondere den Frauen in Afghanistan?
„Leider haben die Medien in den europäischen Ländern und im Rest der Welt nicht über Afghanistan berichtet. Wenn sie es tun, sprechen sie nur sehr kurz darüber und gehen nicht auf die herrschende Realität in Afghanistan ein. Die Situation der Frauen in Afghanistan ist eine Katastrophe, vor allem nach der Machtübernahme durch die Taliban. Die Taliban berauben den Frauen ihre Bildung – Universitäten und Schulen sind für Frauen geschlossen, und Tausende von Frauen haben ihre Arbeit verloren, weil die Taliban ihnen verboten haben, in ihre Büros zu gehen. Die ärmsten Familien in Afghanistan sind diejenigen, die von Frauen geführt und unterstützt werden. Da viele Männer im Krieg ihr Leben verloren haben, bleiben viele Frauen ohne jegliche Unterstützung zurück. Im Allgemeinen ist die Stimmung innerhalb der Gesellschaft sehr hoffnungslos. Es gibt keine Hoffnung für Frauen und viele junge Mädchen haben sich als Resultat ihr eigenes Leben genommen. Doch auf der anderen Seite können wir auch den Widerstand und den Kampf gegen die Taliban und andere Fundamentalisten sehen! Wir arbeiten daran, das Bewusstsein der Frauen in Afghanistan zu schärfen und sie für Demonstrationen zu mobilisieren, in der Hoffnung auf eine große Revolution in der Zukunft.“
Wie sieht der politische Widerstand unter den Taliban aus? Und welche Rolle spielen die Frauen in diesem Widerstand? Kämpfen Frauen und Männer gemeinsam?
Nach der Machtübernahme durch die Taliban haben sich die afghanischen Frauen am Kampf beteiligt. Wir können sie auf den Straßen sehen, wir können sehen, wie sie für ihre Rechte schreien. Die Taliban verachten dies und wollen die Frauen in Käfige sperren, aber sie kämpfen trotzdem weiter. Leider sehen wir keine große Unterstützung von Seiten der afghanischen Männer, denn viele von ihnen schweigen einfach. Aber es gibt auch eine gewisse Unterstützung. Als die Taliban zum Beispiel verkündeten, dass afghanische Frauen nicht zur Universität gehen dürfen, weigerten sich viele männliche Studenten, zur Universität zu gehen. Sie sagten: „Unsere Schwestern sind nicht hier, also wollen wir auch nicht hier sein“. Auch einige Professoren weigerten sich an die Universität zu gehen, aber das waren nicht so viele. Natürlich gibt es einige Bewegungen oder politische Parteien – einige linke Parteien – in denen Männer und Frauen gemeinsam kämpfen. Wie Sie wissen, ist Afghanistan eine patriarchale Gesellschaft, in der die Männer die Frauen dominieren wollen, aber politische Parteien und aufgeschlossene Parteien sind hierbei anders.
Wir haben 2021 schreckliche Bilder aus Kabul gesehen, und in den Nachrichten wurde immer dargestellt, dass allein die Taliban und der IS daran schuld seien, aber wir wissen auch, dass die NATO und insbesondere Deutschland eine Rolle in diesem Krieg spielen. Könnten Sie erklären, was diese Rolle ist und welchen Interessen sie unterliegt?
Nach dem Terroranschlag 2001 auf das World Trade Center in den USA wurde dieser Angriff benutzt, um den Krieg in Afghanistan zu legitimieren, indem sie sagten, dass die Taliban in Afghanistan Terroristen sind, die uns alle angreifen und wir daher Afghanistan bombieren müssen. Ja, die Taliban sind Terroristen, aber sie stehen in Verbindung zu den Vereinigten Staaten. Diese bombardieren Afghanistan unter dem Vorwand einen Krieg gegen den Terror zu führen. Aber auf der anderen Seite unterstützen sie die unpopulärsten, frauenfeindlichsten, dschihadistischen Leute in der öffentlichen Regierung. 2021 waren diese dschihadistischen und korrupten Gruppen Teil des staatlichen Regimes in Afghanistan. Sie sprechen immer von ihren Errungenschaften und den Errungenschaften der Frauen, aber das ist reine Propaganda, denn das entspricht nicht der Realität. Seit 2015 wollten die Vereinigten Staaten mit den Taliban über einen Frieden verhandeln, aber das waren keine Friedensverhandlungen, sondern nur ein politischer Deal. Als es dann 2021 so weit war, sagten sie, sie seien überrascht und hätten nicht gewusst, dass die Taliban kommen und die Macht übernehmen würden, aber wir wissen, dass sie die Macht in Afghanistan an die Taliban übergeben haben. Heute können wir sehen, wie sie Seite an Seite mit den Taliban arbeiten und wir haben große Angst – aber es ist keine Überraschung, dass sie die Taliban-Regierung als solche anerkennen werden. Denn wir sehen, dass die Vereinigten Staaten seit geraumer Zeit darüber sprechen. Natürlich war auch der deutsche Imperialismus ein Teil dieser Besatzung. Sie waren in Afghanistan, sie haben viel Geld für den Krieg ausgegeben, sie haben viele Verbrechen an der afghanischen Zivilbevölkerung begangen und unschuldige Menschen getötet und jetzt wollen sie auch das tun, was die Imperialisten der Vereinigten Staaten bereits tun.
IWA aus den Philippinen
„Wer bist du und was beinhaltet deine Arbeit in und außerhalb der Philippinen?“
„Also mein Name ist Niki und ich bin eine aktivistische Frau im Woman National Democratic Movement, basierend in den Niederlanden, und arbeite für die lokale Organisation namens Women for Filipino Women and Children. Wir sind ein Gründungsmitglied der IWA. IWA ist auch auf dem Shirt zu sehen, das ich trage und steht für International Women’s Alliance. Meine Beziehung zu den Philippinen: Ich wurde dort geboren, aber ich bin im Westen aufgewachsen, also in den Niederlanden. Grundsätzlich fühle ich mich jetzt gebunden an die Probleme, als jemand, der seine Wurzeln dort hat und interessiert ist an der Welt und der Beziehung, die ich als Individuum zu der Welt habe und dann natürlich auch mit der Beziehung zu der Philippinischen Revolution als eine Bewegung und dadurch ebenfalls das Verständnis der gesamten Frauenbewegung innerhalb. Wir sind nicht nur Frauen auf den Philippinen, sondern Frauen überall auf der Welt. Ich bin nicht sicher, ob das die Frage beantwortet, aber grundsätzlich, als eine Aktivistin der philippinischen Diaspora, zu verstehen was wir tun können und was wir tun sollten, um den Massen zu helfen.“
„Was ist die aktuelle Lage auf den Philippinen und was ist die Situation der Frauen und der LGBTI+?“
„Die aktuelle Lage der Frauen auf den Philippinen? Naja, Frauen machen die Hälfte der Bevölkerung aus. Die Philippinen sind ein Archipel. Von den 130 Millionen Einwohner:innen sind die Hälfte Frauen. Wir sind am Häufigsten in den Arbeiter:innen- und Bauernklassen. Was ist also die Situation der Frauen? Es ist eine Situation des konstanten Überlebens und Widerstands, sowie der Bildung und des Beitretens der Revolution. Die meisten haben nicht die Ressourcen, um eine Bildung in der Schule zu genießen, deshalb haben wir Organisationen von Menschen, wir haben organisierende Systeme. Wir gehen zu den ländlichen Gebieten und treffen die Menschen dort. Sie sind nicht nur die arbeitende, sich überarbeitende Masse, die für ihre Familie arbeitet, um am Ende des Tages Essen auf dem Tisch zu haben, auch wenn sie natürlich auch Teil davon sind. Wir sehen sie in allen Sektoren und Klassen. Und leider sehen wir sie auch als politische Gefangene. Wir sehen sie nicht nur in Form von Anführerinnen. Leider, naja nicht leider, aber die Vizepräsidentin ist eine Frau. Auch ist sie die Tochter des damaligen Präsidenten, der als Diktator gilt. Ich glaube das führt zu einer anderen Frage zurück, aber grundsätzlich existieren und leben Frauen innerhalb aller Klassen. Doch zurzeit sehen wir in hohen Zahlen, wie die Frauen der Demokratischen Revolution beitreten und deshalb, wie ich schon erwähnt habe, spielt Gabriela eine große Rolle in der Organisation und Bildung von Frauen.“
„Könntest du auch ein wenig über die Situation der LGBTI+ auf den Philippinen sprechen?“
„Ja, also was ich weiß, als jemand, der nicht auf den Philippinen aufgewachsen ist und erst kürzlich beigetreten ist, aber seinen Weg dorthin gefunden hat, ist, dass die LGBTI+ früher, wie ich glaube, Gabriela beigetreten sind, als ein Sektor oder als eine Gruppe von Menschen innerhalb der Problematik der Frauen. Dann aber auch, aus Entwicklung und Wachstum, wie ich erwähnt habe, wurde die LGBTI+ Nationalist Organization 2015 gegründet. Man sieht also die Entwicklung der LGBTI+ als ein Teil der gesamten Bewegung. Und wie ich in meinem Vortrag erzählt habe, ist gleichgeschlechtliche, schwule und lesbische Ehe auf den Philippinen seit nicht später als 1989 erlaubt und akzeptiert. Was wir also insgesamt sehen können ist eine Entwicklung. Und wir arbeiten auch sehr eng miteinander, also innerhalb der gesamten Philippinischen Revolution. Wir sehen auch dieselbe Form des Widerstands und wie Frauen daran Teil haben. Wie ich schon erwähnt habe, sehen wir anhand der Gründerinnen der MAKIBAKA, Lorena Barros oder Gabriela Silang, dass Frauen auch im bewaffneten Kampf Führungskräfte darstellen. Leider haben wir auch Frauenmorde. Grundsätzlich ist der Widerstand derselbe. Wir haben über 160 politisch gefangene Frauen. Sie werden selbst schwanger und mit ihren Babies zusammen verhaftet. Wir haben sehr viele Kartelle.“
„Wie stark ist die Kommunistische Partei der Philippinen mit den Massen vernetzt?“
„Ich mag diese Frage. Als jemand, der auf der juristischen Ebene arbeitet, wünschte ich, ich könnte aus Erfahrung sprechen. Die CPP (Communist Party of the Philippines) hat eine starke Vergangenheit, aber auch starke Verbindungen zu den Massen. Die NPA (New People’s Army) wird von der CPP geführt. Sie sind sozusagen eins mit den Massen, da sie auch Teil der taktischen Offensiven und bewaffnete Kräfte sind. Sie mischen sich auch tatsächlich unter die Gemeinden. Sie gehen zu den Gemeinden und helfen, sie zu unterstützen und ihre Grundbedürfnisse zu stillen. Dort wo es bei der aktuellen Regierung mangelt, helfen sie, die Unterstützung zu fördern, damit die Gemeinden ihre Grundbedürfnisse und ihre Entwicklung aufrechterhalten können. Das ist eigentlich die Aufgabe, oder eine der Aufgaben der NPA. Also ja, sie sind jeden Tag bei den Massen. Nicht unbedingt in den ländlichen Gebieten oder den Bergen, aber ich kann nur sagen, dass es eine starke Verbindung zwischen ihnen gibt. Ich wünschte ich könnte mehr sagen, aber ich habe auch das Gefühl, dass das nicht an mir ist, darüber zu reden. Aber bitte recherchiert und meldet euch bei den Menschen, die dort eingebunden sind. Sie würden sehr gerne über ihre Erfahrungen und wie stark diese mit den Massen verbunden sind sprechen.“
„Wie hat die Gesellschaft auf die Repression durch den Staat reagiert, im Bezug auf die Folterung und die Tötung der 10 Mitglieder der kommunistischen Partei?“
„Du meinst letzten August, richtig? Also ich denke, erstmal um Kontext zu geben, ich bin mir nicht sicher ob alle von ihnen Teil der kommunistischen Partei waren. Sie waren auch Revolutionäre, die während der Bewegung getötet wurden. Das ist zwar von letztem August, aber was wir gesehen haben, nachdem die Nachricht rauskam, ist, dass die progressiven Kräfte überall auf der Welt und die Menschen, die sich in Solidarität und Unterstützung mit dem philippinischen Volk zeigen, Gedenkveranstaltungen gehalten haben. Den Gefallenen wurde tiefgründig und respektvoll erinnert. Man sieht die Wut und die Rage, und dadurch auch den weiterlaufenden Kampf für Gerechtigkeit und soziale Freiheit unter den progressiven Kräften. Ich kann nicht sagen, wie das landesweit auf den Philippinen ist, da ich nicht dort basiert bin. Aber ja, es gibt definitiv noch mehr zu sagen.“
„Als letztes habe ich noch eine Frage. Du hast ein kleines Zitat genannt, als du auf dem Podium warst. Kannst du es uns noch einmal vortragen, sodass wir davon lernen können oder es vielleicht auf Demonstrationen rufen können?“
„Ach du meinst die Parole?“ „Ja.“
„Also die Parole…ich habe mich für eine philippinische Parole entschieden. Leider ist es nicht meine Muttersprache. Aber die Parolen sind „Imperyalismo Ibagsak!“, das bedeutet „Runter mit dem Imperialismus!“, „Pyudalismo Ibagsak!“, das bedeutet „Runter mit dem Feudalismus!“ und „Burukratang Kapitalismo Ibagsak!“, was so viel bedeutet wie „Runter mit dem bürokratischen Kapitalismus!“ Das sind die drei gängigen Parolen, die man von der Jugend, über die Frauenbewegung, die Arbeiter:innen- und Bauernklasse, bis hin zur LGBTI+ Bewegung hört. All diese Parolen haben ihre Wurzeln in der nationalen demokratischen Revolution. Es gibt noch eine Parole, von der ich nicht weiß, ob sie tatsächlich von der Frauenbewegung abstammt, aber sie geht so: „Makibaka! Huwag Matakot!“ und heißt so viel wie „Kämpfe! Habe keine Angst!“ Ich erwähne das, weil die Frauenrevolutionsbewegung MAKIBAKA heißt. Das Wort ist dasselbe, also vielleicht gibt es da eine Verbindung. Jedenfalls, wenn wir auf unsere Geschichte zurückblicken, wie wir seit 1521 kolonialisiert wurden, zuerst von den Spaniern, dann den Amerikanern und dann den Japanern, haben wir eine Vergangenheit und auch eine aktuelle Situation des Widerstands, da wir immer noch eine Halbkolonie der USA sind. Wir werden immer noch von ihrer Politik beherrscht, von ihrer Militarisierung. Zumindest gibt es eine Militarisierung. Man kann auf jeden Fall sagen, dass diese Parolen häufig benutzt werden und uns auch vereinen. Wenn ihr euch uns auf den Straßen anschließen möchtet, seid ihr herzlich dazu eingeladen mit uns Parolen zu rufen und neben uns zu kämpfen.“
Kommentar verfassen