Patriarchat

Der Großteil der hier dargestellten Analysen ist zurückzuführen auf die Arbeiten von Friedrich Engels in seinem Werk „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats“. Er arbeitet dort mit folgendem Ansatz: Die menschliche Gesellschaft lässt sich historisch in vier große ökonomische Gesellschaftsformationen einteilen: Die Urgesellschaft, die Sklavenhaltergesellschaft, der Feudalismus und der Kapitalismus. In der Urgesellschaft trennte sich der Mensch durch die Arbeit vom Tier. Die Menschen der Urgesellschaft lebten in verschiedenen Formen der Familie zusammen. Obwohl die Familie, zusammen mit der Arbeitsteilung und dem Privateigentum, einer der Grundpfeiler des Patriarchats ist, gab es in der Urgesellschaft zunächst noch keine patriarchalen Verhältnisse. Die Urgesellschaft kannte kein Privateigentum. Es konnte nur so viel produziert werden, wie die Menschen gerade zum Überleben brauchten.  Die Menschen waren nicht sesshaft und zogen umher. In dieser Gesellschaft gab es keine sozialen Geschlechterrollen für Mann und Frau. Es existierte keine Abhängigkeit zwischen den Geschlechtern. Auch zum Beispiel die Vorstellung, Frauen seien schon immer Sammlerinnen gewesen und Männer die Jäger, ist nicht ganz richtig. Sie resultiert vor allem aus der bis heute patriarchal geprägten Forschung und Wissenschaft. Diese Gleichheit der Geschlechter gab es allerdings nur, da die ökonomische Grundlage hierfür bisher fehlte. 

Später wurden die Menschen sesshaft, entwickelten erste Formen von Landwirtschaft wie Viehzucht oder Ackerbau. Erste Stämme fingen an, Privateigentum anzuhäufen zum Beispiel in Form von Tierherden, Hütten oder Nahrung. Dieses Privateigentum sollte im Familienbesitz bleiben, sodass Erblinien entstanden. Zunächst wurden die Familienstammbäume durch die mütterlichen Linien bestimmt, da die Frauen diejenigen waren, die die Kinder zur Welt brachten. Nach und nach entwickelten sich die vielfältigen Familienstrukturen weiter bis, vereinfacht gesagt, eine binäre (d.h. paarweise; in Bezug auf Geschlechter steht binär für die Einteilung in die zwei Geschlechter Mann und Frau) Familienstruktur aus Mutter und Vater entstand. Die Beziehungen wurden nicht nur binär, sondern vor allem auch monogam. So veränderten sich die Erblinien so, dass das Privateigentum allmählich über die männliche Linie vererbt wurde, denn das begünstigte die Anhäufung von Besitztümern. Außerdem entwickelte sich eine Arbeitsteilung nach Geschlecht. Männer und Frauen ohne Kinder gingen auf die Jagd und brachten dem Stamm mehr Reichtum. Viele Frauen blieben zurück, versorgten die Kinder, bewachten die Tiere oder hatten andere landwirtschaftliche Aufgaben. Allerdings lässt sich diese Arbeitsteilung nicht an allen Orten der Welt und in jedem Zeitalter so vereinfacht darstellen. Trotzdem ist der Beginn der Arbeitsteilung (nach Geschlecht) ein wichtiger Faktor für die Entstehung des Patriarchats. Auch wenn es nicht allgemeingültig ist, kann man davon ausgehen, dass Frauen eher Arbeiten zu Hause übernommen haben: landwirtschaftliche Aufgaben sowie Reproduktionsarbeit in Form von Kindererziehung, Nahrungszubereitung, Pflege, etc. Mit anderen Worten, im Gegensatz zu den Männern haben die Frauen eher Arbeiten übernommen, die dem Stamm/der Familie keinen neuen Reichtum brachte. Das führte dazu, dass die Männer sich innerhalb des Stamms/der Familie mehr (Entscheidungs-)Macht und Besitzansprüche genommen haben. Das Patriarchat entsteht und ist die erste Unterdrückung des Menschen durch den Menschen. 

Wer leidet unter dem Patriarchat?

Nicht nur Frauen werden durch das Patriarchat unterdrückt. Auch alle anderen Geschlechter außerhalb des binären Systems von Mann und Frau werden, wenn auch auf eine andere Weise, vom Patriarchat unterdrückt. In vielen verschiedenen Kulturen gab es kein binäres Geschlechtersystem, also keine klare Einteilung in Frau und Mann. Auch die Familienstrukturen unterschieden sich zum Bespiel durch Gruppenehen von den heutigen. Mit der Entstehung des Patriarchats wurden die Beziehungen monogam und binär, um die Unterdrückung der Frau und die männliche Herrschaft zu sichern. Eine weitere Folge der neuen Familienstruktur war, dass sich auch die binären Geschlechterrollen verstärkten. Für alle Geschlechter außerhalb von Mann und Frau war kein Platz mehr in der Gesellschaft. Im heutigen kapitalistischen und patriarchalen System haben Frauen (sowie Männer) eine bestimmte gesellschaftliche Funktion, die nötig ist, um das System aufrecht zu erhalten. Für allen anderen Geschlechter ist keine gesellschaftliche Funktion vorgesehen, weshalb ihre Existenz geleugnet wird. 

Das Patriarchat ist das Produkt der Entstehung des Privateigentums und der gesellschaftlichen Arbeitsteilung. Das heißt, das Patriarchat gab es in allen Formen der Klassengesellschaft; es ist sehr viel älter als der Kapitalismus. Je nach Zeitalter ist es in verschiedenen Formen in Erscheinung getreten. Bis heute hat das Patriarchat weiterhin Bestand und hat sich an die kapitalistischen Bedingungen angepasst. Es ist sogar so, dass das Patriarchat und der Kapitalismus untrennbar miteinander verbunden sind. Und vor allem im Zeitalter des Kolonialismus hat sich das Patriarchat gewaltvoll und mit beschleunigter Geschwindigkeit auf der gesamten Welt ausgebreitet. So können wir sagen, dass das Patriarchat wie der Kapitalismus heute auf der ganzen Welt herrscht.

Patriarchat als ökonomische Unterdrückung

Zum einen ist das Patriarchat in der ökonomischen Basis verankert, das heißt in der Art und Weise der Produktion, des Kapitalismus (oder vorher der anderen Klassengesellschaften). Der Kapitalismus funktioniert nur dadurch, dass reproduktive Arbeit ohne Bezahlung zu Hause verrichtet wird. Reproduktive Arbeit ist zum Beispiel Hausarbeit oder die Pflege und das Kümmern um Kinder, Alte, Kranke oder generell Familienmitglieder. Diese Arbeit wird in den meisten Fällen von Frauen erledigt. Zu Beginn des Kapitalismus war es noch üblicher, dass nur der Mann arbeiten ging, vor allem in der herrschenden Klasse. Aber das auch nicht immer: Gerade zu Beginn des Kapitalismus mussten auch Frauen arbeiten und wurden so doppelt ausgebeutet. Und bis heute ist es in den meisten Fällen nötig, dass beide Elternteile arbeiten gehen müssen, um genug Geld für die Familie zu haben. Und trotzdem bleibt die Reproduktionsarbeit allein bei der Frau. Davon profitieren die Kapitalisten, denn heute generieren sie doppelten Mehrwert durch die gesellschaftliche Arbeit von Mann und Frau, und die unbezahlte Hausarbeit kommt noch obendrauf. Hinzu kommt der Lohnunterschied zwischen Mann und Frau. Dadurch, dass Frauen weniger Lohn verdienen, teilweise sogar weniger Geld als Männer für die gleiche Arbeit bekommen oder nur einen Teilzeit- oder Minijob haben, werden sie finanziell abhängig von ihrem Mann.

Patriarchat als Unterdrückung im Überbau – was bedeutet das?

Zum anderen ist das Patriarchat im gesellschaftlichen Überbau, das heißt in der Kultur, staatlichen Institutionen, der Wissenschaft, etc. verankert. Wir alle sind mit patriarchalen Verhältnissen aufgewachsen und wurden dementsprechend sozialisiert. Von klein auf sind wir mit patriarchalen Rollenbildern konfrontiert. Sei es in der Familie oder später in der Schule, wo wir mit bürgerlicher und patriarchaler Ideologie erzogen werden. Mädchen sollen zurückhaltend, Jungs wettbewerbsorientiert sein. Auch die Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist ein Teil des Patriarchats. Diese Gewalt wird sowohl in der Basis durch ökonomische Gewalt (finanzielle Anhängigkeiten, kapitalistische Arbeitsteilung, etc.) als auch im Überbau durch physische oder psychische Gewalt ausgeübt. Laut Statistiken nimmt diese Gewalt immer weiter zu. Ziel dieser Gewalt ist es, Macht über Frauen zu erlangen. Durch patriarchale Institutionen, wie zum Beispiel in der Justiz, werden Täter aktiv geschützt. Selbst wenn eine Frau sich traut, einen Fall anzuzeigen, hat sie keine guten Chancen, dass der Täter verurteilt wird. Von Gerechtigkeit kann gar nicht die Rede sein. 

Wie zeigt sich das Patriarchat heute?

Man hört immer wieder Aussagen wie „das Patriarchat existiere heute gar nicht mehr“ oder Frauen seien den Männern heute völlig gleichgestellt. Es stimmt, dass sich die Bedingungen und auch die Formen der geschlechtlichen Unterdrückung durch Kämpfe und Widerstand verändert haben. In Deutschland sind Männer und Frauen laut dem Grundgesetz vor dem Gesetz gleich, aber zum Beispiel durch das Abtreibungsverbot wird das Selbstbestimmungsrecht der Frauen massiv eingeschränkt. In vielen anderen Ländern gibt es nicht mal die formelle Gleichstellung und die Verhältnisse sind noch sehr viel rückschrittlicher. Das hängt auch mit imperialistischer Unterdrückung durch Staaten wie Deutschland zusammen. Es steht also fest, dass das Patriarchat kontinuierlich existiert hat und es existiert auch heute immer noch. Für uns steht fest, dass gesetzliche oder gesellschaftliche Reformen das Patriarchat und die Unterdrückung der Frauen niemals beenden werden. Denn auch heute sehen wir, dass das männliche Geschlecht das Weibliche unterdrückt und das sehen wir an unzähligen Beispielen: Cat-Calling auf der Straße, häusliche Gewalt oder Femizide, die von der patriarchalen Justiz viel zu gering bestraft werden. Man könnte noch viel mehr Beispiele finden, die uns zeigen: Das Patriarchat ist unsere alltägliche Realität. Und deswegen ist es wichtig, dass wir uns als Unterdrückte organisieren und gemeinsam gegen das Patriarchat kämpfen! Die Reformen, die die Frauenbewegungen in den letzten Jahren erkämpft haben, sind wichtige Errungenschaften. Vor allem Forderungen wie ein Recht auf sichere Abtreibung sind wichtig und notwendig. Doch zum Beispiel die dazugehörige gute und große medizinische Infrastruktur wird am Ende nur Wirklichkeit werden, wenn wir dieses System der Profite hinter uns lassen. Dafür müssen wir Klassenkampf führen und vor allem die ökonomische Basis verändern, um das Patriarchat zu überwinden und uns zu befreien. 

Webseite erstellt mit WordPress.com.